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Energie sparen durch die Wirkerei

Technologie wechseln, Umweltvorteile nutzen Unabhängige Studie von Gherzi zeigt: Wirkerei verbraucht wesentlich weniger Energie als Weberei

Die Wirktechnologie ist nicht nur eine der effizientesten, sondern auch eine äußerst umweltfreundliche Technologie der Textilherstellung. Insbesondere im Vergleich zur Weberei zeigen sich deutliche Vorteile. In der chinesischen Industriestadt Shengze beispielsweise wurden 2018 bei einem Rettungsprogramm für den See Tai Hu u. a. zahlreiche der über 100.000 dort installierten Wasserstrahl-Webmaschinen durch Wirkmaschinen ersetzt, um die schädliche Abwassereinleitung in die Trinkwasserquelle für mehrere Millionen Menschen einzudämmen. Für das Vorhaben bekam die Bezirks- und Stadtregierung von Wujiang Shengze Unterstützung von KARL MAYER.

Der weltweit führende Wirkmaschinenhersteller hat die ökologischen Vorzüge der Wirkerei gegenüber der Weberei weiter im Fokus. Erst kürzlich veranlasste er eine vergleichende Energieverbrauchsstudie durch das unabhängige Beratungsunternehmen Gherzi. Die Ergebnisse lagen bereits zu Beginn dieses Jahres vor, gewinnen aber gerade jetzt an Brisanz: Die möglichen Einsparungen an Strom sind nicht nur in puncto CO2-Emissionen bemerkenswert, sondern angesichts explodierender Energiepreise ein echter Kostenvorteil. Ulrike Schlenker von my TEXTILE NEWS wollte mehr über die Studie wissen und befragt Christof Naier, Präsident der Business Unit Wirkmaschinen bei KARL MAYER.

US: In Wirkerei- und Webereibetrieben gibt es viele Stromverbraucher, und sie sind global aufgestellt. Wie haben Sie den Rahmen der Energieverbrauchsstudie gesteckt?

CN: Wir haben klare verfahrenstechnische Grenzen gesetzt. Im Fokus der Studie standen die Kettvorbereitung, die eigentliche Flächenherstellung als Hauptprozess und die Gestaltung der hierfür notwendigen Produktionsumgebung hinsichtlich Befeuchtung, Klimatisierung und Beleuchtung. In der Weberei wurde auch das meist unverzichtbare Schlichten berücksichtigt. Beim Hauptprozess stand der Stromeinsatz für den Antrieb von Motoren sowie die Erzeugung von Luft- und Wasserströmen für die Webmaschinen im Fokus. Die Daten zum Energieverbrauch kamen von unterschiedlichen Textilunternehmen, wegen der coronabedingten Reisebeschränkungen hauptsächlich mit Sitz in Indien. Zudem lieferten wir und andere europäische Textilmaschinenhersteller Input aus internen Leistungsmessungen. Aus den Daten wurde die pro Quadratmeter benötigte Energiemenge für den Vergleich ermittelt.

US: Welche Textilartikel haben Sie dabei betrachtet?

CN: Für die Studie haben wir vier Produktkategorien ausgewählt, die für beide Technologien repräsentativ sind. Dies waren Frottierwaren aus Baumwolle sowie Futterstoffe, Gardinen und Hosenstoffe, jeweils aus Polyester oder Polyamid. Insbesondere gewirkte 4-Way-Stretch-Bekleidungswaren sind derzeit sehr gefragt. Elastisch, knitterarm und pflegeleicht entsprechen sie dem Trend zu Komfort und Bequemlichkeit beim Tragen und Waschen. Die betrachteten gewirkten und gewebten Artikel hatten vergleichbare Warenparameter.

US: Welche Ergebnisse lieferte der Vergleich der Verbrauchsdaten bei der Herstellung der Waren?

CN: Für die Kettvorbereitung, Flächenherstellung und Einstellung der Umgebungsparameter wird in der Wirkerei insgesamt deutlich weniger Strom benötigt als in der Weberei. Dies gilt für alle Produktkategorien. Besonders große Differenzen zeigen sich bei den energetischen Aufwendungen für den Hauptprozess, also für den reinen Maschinenbetrieb. Diese sind besonders gut für den Technologievergleich geeignet, da sie vom Standort unabhängig und damit in allen Ländern gleich sind. Mit Blick auf die Produktgruppen ist der Vorsprung der Wirkerei gegenüber der Weberei bei der Herstellung von Hosenstoffen am größten. Für die Produktion der Bekleidungstextilien benötigen Wirkmaschinen nur rund ein Zehntel der Energie, die Webmaschinen verbrauchen. In absoluten Zahlen beträgt die mögliche Stromeinsparung 0,57 kWh/m².

US: Welche ökologischen Einsparpotenziale stehen hinter dieser Zahl?

CN: Die positiven Effekte auf die Umwelt-, aber auch auf die Kostenbilanz lassen sich am besten an einem Beispiel verdeutlichen: Ein indischer Betrieb mit 400 Luftdüsen-Webmaschinen und einer durchschnittlichen Tagesproduktion von rund 134.000 m² dieser Textilien kann seinen CO2-Ausstoß durch eine Technologieumstellung auf die Wirkerei um ca. 55 t pro Tag reduzieren – bei einer CO2-Emission von 725 g/kWh in Indien im Jahr 2019. /1/ Im Energiemix des Landes dominiert die Kohleverstromung. Neben weniger Umweltbelastungen fallen auch weniger Stromkosten an. Bei einem Preis von 0,104 US-Dollar pro kWh Ende 2021 beträgt das Einsparpotenzial rund 8.000 US-Dollar täglich. Heute dürfte dieser Betrag weit höher sein. /2/ Zudem ist der bisherige Output mit deutlich weniger Maschinen erreichbar. Bei einer etwa 14-fach höheren Tagesproduktion können 27 Wirk- die bisherigen 400 Webmaschinen ersetzen. /3/ Ein kleinerer Maschinenpark braucht weniger Platz und Personal. Auch dies sind signifikante Vorteile. Natürlich erfordert ein Technologiewechsel Betrachtungen zu weiteren Aspekten. Vor dem Hintergrund steigender Energiekosten ist allerdings zu erwarten, dass die Bedeutung der Energieverbräuche bei der Wahl der Produktionstechnologien zunehmen wird.

US: Vielen Dank für das Gespräch.

Hier gibt es mehr Informationen zu der Studie von Gherzi und das White Paper dazu zum Runterladen.

/1/ https://iea.blob.core.windows.net/assets/e4945633-ab7c-45cc-8e3a-aa74dd3de962/AirQualityandClimatePolicyIntegrationinIndia-Frameworkstodeliverco-benefits.pdf

/2/ https://de.globalpetrolprices.com/India/electricity_prices/

/3/ Gherzi: Compare conversion cost (mainly power related) of weaving and warp knitting, Studie für KARL MAYER, 24. 02. 2022.

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Christof Naier, Präsident der Business Unit Wirkmaschinen bei KARL MAYER.

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