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Schutz vor Revolverhelden

Mehr Schutz als Last mit neuen und leichten Aramid-Gelegen

Aramid-Fasern sind etablierte Garne für technische Einsätze. Sie werden in Composites, beispielsweise für Hartballistik-Lösungen, leichten Transportcontainern oder laminierten Hochleistungssegeln genutzt, finden aber auch in Schutztextilien – meist in Geweben – für Bekleidung Verwendung. Durch seine spezifischen Eigenschaften bietet das Aramid-Material gegenüber den ebenfalls gebräuchlichen Glas- und Carbonfasern universell nutzbare Vorteile, die jedoch ihren Preis haben. Herausragend sind insbesondere die Schlagzähigkeit und Arbeitsaufnahmefähigkeit. Zudem werden die Aramid-Fasern – anders als ihre Pendants aus Carbon oder Glas – bei der Verarbeitung durch Filamentabrieb so gut wie nicht geschädigt. Sie lassen sich aktuell auf der Multiaxialwirkmaschine COP MAX 5 zu Non-Crimped Fabrics mit bisher unerreichter Gleichmäßigkeit verarbeiten. Das Ergebnis sind feine, leichte und gassenfreie Verstärkungsstrukturen für Endanwendungen, bei denen eine hohe Kraftaufnahme gefragt ist. Hier sind vor allem neue und leichtere Lösungen für die Softballistik zu nennen. In der Kettenwirk-Praxis, Ausgabe 02/2018, haben wir von den einzigartigen Aramid-Strukturen von der COP MAX 5 berichtet. /1/ Der vorliegende Artikel befasst sich mit den weiterführenden Erkenntnissen.

Spreizen und Gelegefertigung im Online-Prozess

Zur Verarbeitung der leistungsfähigen Fasern auf Multiaxialwirkmaschinen hat die KARL MAYER Technische Textilien GmbH das umfangreiche Entwicklungsprojekt COP MAX 5 Aramid gestartet. Ziel ist die Fertigung von flachen Verstärkungsgelegen für Verbundwerkstoffe mit geringem Gewicht und homogener Faserverteilung. Die Oberflächen der Fertigwaren sollen ein geschlossenes Bild ohne sogenannte Legegassen zeigen. Durch die außergewöhnliche Gleichmäßigkeit lässt sich die Fasersubstanz maximal nutzen, um dem Preis der Aramid-Garne gerecht zu werden. Zur Erarbeitung der neuen leichten Gelege werden das Online-Spreizgatter TC 66 und die Multiaxialwirkmaschine COP MAX 5 Aramid verwendet. Das Spreizmodul sorgt dafür, dass die Aramid-Garne zu dünnflächigen Tapes ausgespreizt und mit konstanter Spannung der COP MAX 5 Aramid zugeführt werden. Die Multiaxialwirkmaschine verfestigt das gelieferte Material per Masche zu hochwertigen Gelegen mit großem Leichtbaupotenzial. Der Prozessfluss zwischen den Anlagen ist diskontinuierlich. Das Aramid-Material muss nach dem Spreizen und vor dem Verlegen geschnitten werden.

Kontinuierliche Projektarbeiten

In einem ersten Projektschritt entstand im Rahmen einer Diplomarbeit eine neue Tape-Schneideinheit, die auf das Trennen von Aramid- Tapes abgestimmt wurde. Mit der entwickelten Lösung konnten einlagige Gelege mit einem Ablagewinkel von –45°, nahezu gassenfreier Faseranordnung und einem Warengewicht von nur 120 g/m² gefertigt werden. Die Arbeiten hierzu endeten im März 2018. Die Diplomarbeit wurde im Anschluss mit „sehr gut“ an der Technischen Universität Dresden verteidigt. In einem zweiten Projektschritt sollte die bereits mögliche Faserlage um eine weitere Lage in Gegenrichtung ergänzt werden. Hierfür wurde die entwickelte Aramid-Schneideinheit weiter optimiert und durch eine zweite Einheit verstärkt. Zudem entstand eine neue Schneideinrichtung am Maschinenausgang, um die gefertigten Textilstrukturen zuverlässig aus der Transportkette herauszutrennen.

Biaxialgelege mit einzigartigem Leichtbaupotenzial

Das Ergebnis des zweiten Projektschritts sind nun Biaxialgelege mit Verlegungswinkeln von +/– 45° und einer bisher unerreichten Leichtbauperformance. Die Verstärkungstextilien überzeugen durch eine äußerst flache Oberfläche und eine homogene Verteilung der Aramid-Fasern, da keine Fadenondulationen und -dreher vorliegen. Die Deckkraft der Filamente ist im Vergleich zu konventionellen Biaxialgelegen, gefertigt auf der COP MAX 4 oder der COP BIAX auf Basis des Fadenlegens, wesentlich höher. Zwischenlagen mit Folien zum Ausgleich von Gassen und Unebenheiten sind auf der COP MAX 5 Aramid nicht mehr erforderlich und gehören damit gewissermaßen der Vergangenheit an. Zudem ist das Warengewicht einzigartig. Die neuen Gelege aus Aramid-Tapes mit einem Einzelflächengewicht von 90 g/m² und Garnen der Stärke 3.360 dtex mit 2.000 Filamenten wiegen nunmehr nur noch 180 g/m². Bisherige Aramid-Strukturen von der COP MAX 4 oder der COP BIAX werden aus teuren Garnen der Feinheit 450 bis 960 dtex mit nur maximal 200 Filamenten gefertigt und bringen 250 bis 500 g/m² auf die Waage. Auch bei den Kosten punktet die erarbeitete COP MAX 5 Aramid- Technologie: Relativ grobe und preiswerte Aramid-Garne werden zu feinen Verstärkungsstrukturen verarbeitet und es entstehen weniger Kantenabfälle der Gelege. Das Einsparpotenzial pro Woche beträgt Tausende von Euros gegenüber den reinen Fadengelegen.

Triaxialgelege im Visier

Mit dem eingeschlagenen Weg liegen die Entwickler der KARL MAYER Technische Textilien GmbH richtig. Dies zeigten die Reaktionen auf die jüngsten Projektergebnisse während verschiedener Messeauftritte in diesem Jahr. Insbesondere auf der Techtextil in Frankfurt am Main und der JEC in Paris war das Interesse groß. Nachfragen kamen von Herstellern und Behörden, die sich mit Arbeitsschutz, speziell mit dem Softballistik-Schutz, beschäftigen. Aber auch Bekleidungsunternehmen auf der Suche nach einem zweiten Standbein informierten sich. „Unsere Gesprächspartner bezeichneten die neuen Biaxialgelege als einmalig leicht und homogen. Sie sehen ein großes Marktpotenzial für die neue Technologie und ermutigten uns, weitere Schritte zu gehen“, sagt Rainer Seuß aus dem Produktmanagement Composites. Insbesondere für Ballistikeinsätze sei die Schutzwirkung von Triaxialgelegen gefragt. Die Textilspezialisten der Anwendungstechnik möchten daher in folgenden Arbeiten eine Gelegestruktur mit den Verlegungswinkeln –45°/90°/+45° für wirksame Lösungen mit wenig Gewicht und hoher Trageakzeptanz entwickeln. „Jedes Kilogramm weniger bei einer Splitterweste ist ein Kilogramm mehr an Proviant für den Soldaten im Einsatz“, hat Rainer Seuß in den Messegesprächen erfahren. Zudem können leichte und gleichzeitig dünne Softballistik-Lösungen unauffällig, aber wirksam getragen werden – beispielsweise unter dem Poloshirt von Security-Mitarbeitern. Die Kunden haben hier ein Aramid-Warengewicht von 270 g/m² im Visier. Hand in Hand mit den Entwicklungen von KARL MAYER Technische Textilien treiben die Innovationen des Faserspezialisten Tejin den Ausbau der Leichtbaupotenziale von Aramid voran. Erst jüngst wurden Aramid-Garne der Feinheit 2.000 dtex mit 2.000 Einzelfilamenten gelauncht.

 

/1/ Leichte Aramid-Gelege für schwere Aufgaben, Kettenwirk-Praxis 02/2018, S. 22 – 23

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